Story

VOM SCHWEIZER STARTUP ZUR WELTWEIT AGIERENDEN FIRMA

Plastikmüll aus dem Meer fischen und damit hochwertiges Kunststoff-Granulat aufbereiten. Mit diesem Ziel wurde Tide Ocean 2019 als Startup gegründet. Alleine im Jahr 2023 wird die Firma aus Basel 200 Millionen Flaschen aus den Ozeanen fischen – und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Publiziert am 21. Dezember 2022
Erschienen in KunststoffXtra 11-12/2022

Als Tide Ocean mit seiner Idee der Wiederaufbereitung von Plastikmüll aus dem Meer an der letzten Swiss Plastics Expo am 22. Januar 2020 den Swiss Plastics Expo Award im Bereich Nachhaltigkeit gewann, war das junge Startup gerade einmal ein halbes Jahr gegründet. Mittlerweile arbeiten 15 Mitarbeitende bei Tide Ocean und das Unternehmen betreut Kunden aus der ganzen Welt. Co-Gründer Marc Krebs erinnert sich noch heute gerne an den Gewinn des Awards zurück: «Der Preis hat uns aus zwei Gründen sehr gefreut: erstens war es eine Bestätigung, dass wir auch in der Schweiz wahrgenommen wurden, und zweitens war es schön, dass wir den Preis aus der Kunststoffindustrie heraus erhalten haben, insbesondere deshalb, weil wir gar kein klassischer Vertreter dieser Industrie sind und eher von aussen kommen.»

IN DER KUNSTSTOFFINDUSTRIE ANGEKOMMEN

Dabei sei es insbesondere am Anfang nicht ganz einfach gewesen, die klassische Kunststoffindustrie mit ihrer Idee zu überzeugen. Den Firmen zu zeigen, dass Tide Ocean nicht nur das Ziel verfolgt, den Plastikmüll aus dem Meer zu beseitigen, sondern diesen auch als hochwertiges Material in den Zyklus zurückbringen kann, habe viel Zeit in Anspruch genommen. Mittlerweile konnten aber viele Unternehmen auch durch die Lancierung von Produkten durch Marken, die jeder kennt (wie zum Beispiel Tommy Hilfiger oder Hugo Boss), überzeugt werden.

Trotzdem gäbe es in diesem Bereich immer noch Entwicklungspotenzial, erklärt Marc Krebs: «Man schätzt, dass weltweit nur 9% der Kunststoffe rezykliert werden. Wir sind also sicherlich noch nicht dort, wo wir hinwollen. Aber wir merken, dass das Thema viel breiter angekommen ist und wir auch aus der klassischen Kunststoffindustrie mehr Nachfragen erhalten.» Zu verdanken sei dies unter anderem auch dem Thema Nachhaltigkeit, das heute einen anderen Stellenwert hat als noch vor drei Jahren. «Man hat gemerkt, dass man rezykliertes Material einsetzen muss, um die Klimaziele zu erreichen. Das zwingt die Industrie dazu, komplett umzudenken.»

DEN SCHWIERIGEN UMSTÄNDEN GETROTZT

Nicht nur in der Kunststoffindustrie hat sich in den letzten drei Jahren vieles verändert, sondern auch bei Tide Ocean. Das kleine Startup ist zu einem weltweit agierenden Unternehmen geworden, obwohl die Umstände mit der Corona-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Energie-Krise alles andere als optimal waren. «Eigentlich konnte man keinen ungünstigeren Zeitpunkt für den Start erwischen», sagt Marc Krebs. Mehrere grössere Projekte mussten aufgrund der Corona-Pandemie auf Eis gelegt werden. Seit 2022 aber merke man, dass die Nachfrage stark anziehe, so Marc Krebs: «Viele grössere Marken aus der Schweiz und dem Ausland haben uns in letzter Zeit bestätigt, dass das Thema Nachhaltigkeit nicht verschwinden wird, dass sie umsatteln müssen, und dass ihnen die Energiekriese nochmals vor Augen führt, dass man mit den fossilen Rohstoffen auch industriell einen komplett neuen Umgang finden muss.»

AUF DER GLOBALEN KARTE ANGEKOMMEN

Mittlerweile hat Tide Ocean das dritte Geschäftsjahr abgeschlossen und befindet sich auf einem guten Weg, wie Marc Krebs betont: «Gerade im letzten halben Jahr haben wir gespürt, dass wir auf einer globalen Karte angekommen sind.» Fast jeden Tag kämen neue Materialanfragen aus den verschiedensten Gebieten der Welt. Besonders viele Anfragen kämen derzeit aus der europäischen, japanischen und amerikanischen Autoindustrie. Auch das Distributionsnetz konnte mit neuen Distributoren in Japan, Taiwan, Hong Kong, Kolumbien und den USA erweitert werden. Zudem werden die Plastikabfälle in der Zwischenzeit nicht mehr ausschliesslich von Küstenregionen in Südostasien geborgen, sondern auch in Mexiko. Aktuell wird bei Tide Ocean so skaliert, dass das Volumen jährlich verdoppelt wird.

KREISLAUFWIRTSCHAFT ALS ULTIMATIVES ZIEL

Neben den wirtschaftlichen Zielen setzt sich Tide Ocean auch für soziale und ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz ein. Auch wenn die «Entmüllung» des Ozeans noch lange nicht vollzogen ist, ist sich Marc Krebs sicher, dass Tide Ocean etwas bewirken kann: «Es ist beachtlich, wie viel Aufmerksamkeit das Thema erhält, und das werte ich schon mal als Erfolg.» Die Menschen würden merken, dass die Meeresverschmutzung mit Plastik ein ungelöstes Problem ist, für das es aber mögliche Lösungen gibt. Tide Ocean bietet eine solche Lösung an und fördert so die Kreislaufwirtschaft, welche für Marc Krebs das ultimative Ziel ist. «Plastik ist nicht einfach Abfall, sondern hat einen Wert und man kann ihn in den Kreislauf zurückbringen. Ich hoffe, dass dies zu einem Standard wird. Ich wüsste nicht, weshalb das nicht so sein sollte.» Damit auch andere Unternehmen zu einer nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft beitragen können, plant Tide Ocean, die Technologie zu verbreiten und das Material als globales Qualitätslabel zu positionieren: «Wir planen, unser Wissen lizenzieren zu lassen. Bis 2025 soll die #tide-Lösung auf allen Kontinenten eingesetzt werden, durchaus auch von anderen Anbietern», so Marc Krebs.

EINE MILLIARDE FLASCHEN SOLLEN REZYKLIERT WERDEN

Bereits in diesem Jahr hat Tide Ocean das Projekt «Tide's Road to 1 Billion Bottles» lanciert. Dabei soll mit der Hilfe von Unterstützern bis im Jahr 2025 eine Milliarde Flaschen gesammelt werden. «Wir haben viele Anfragen bekommen von Unternehmen, die unsere Philosophie super finden, aber keinen Kunststoff benötigen. Diese Unternehmen können uns trotzdem helfen, indem sie unsere Sourcing-Tätigkeit unterstützen», erklärt Marc Krebs. Interessierte Unternehmen können sich bereit erklären, mit ihrer Unterstützung eine, drei, fünf oder zehn Millionen Flaschen aus dem Ozean zu bergen, um damit ihren Beitrag gegen die Plastikvermüllung des Ozeans zu leisten.


SWISS PLASTICS EXPO

Auch die Swiss Plastics Expo unterstützt Tide Ocean bei ihrer «Road to 1 Billion Bottles» und setzt sich damit für eine nachhaltigere Umwelt ein.

Zugehörige Themengebiete (1)